Heizen Fernwärme: Intransparent und oft zu teuer

Heizen Fernwärme: Intransparent und oft zu teuer

von Martin Gerth
Februar 2024

Fernwärmekunden zahlen oft zu viel. Wirtschaftsminister Robert Habeck
will daher den Wärmemarkt reformieren. Eine Studie belegt, wie
intransparent und willkürlich die aktuelle Preispolitik der Versorger ist.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) forderte kürzlich in der
„Tagesschau“ transparentere und fairere Preise für Fernwärmekunden.
Kunden könnten den Fernwärmeanbieter nicht wie den für Gas oder
Strom wechseln. Habeck schlug eine Vergleichsplattform und eine
Schlichtungsstelle für Kunden vor.

Zudem kündigte er an, die Fernwärmelieferverordnung ändern zu wollen.
Diese Verordnung regelt unter anderem, nach welchen Regeln,
Versorger und Stadtwerke ihre Fernwärmepreise anpassen dürfen.
Gerade diese Preisänderungsklauseln sind höchst umstritten. Der
Wirtschaftsminister bezweifelt, ob es weiter sinnvoll ist, Fernwärmepreise
beispielsweise an den Ölpreis zu koppeln.

Habeck ist klar geworden, dass sich die Fernwärme nur dann erfolgreich
ausbauen lässt, wenn sie in der Bevölkerung akzeptiert wird. Er plädiert
daher für einen fairen Umgang mit Fernwärmekunden. Andere
kommunale Dienstleistungen mit hohen Fernwärmepreisen zu
subventionieren, mindere dagegen die Akzeptanz, sagte Habeck. Er
kündigte für den Sommer oder den Herbst dieses Jahres erste Lösungen
für eine Reform des Fernwärmemarktes an.

Die Ampelkoalition hat noch viel vor mit der Fernwärme. Sie ist ein
zentraler Baustein der Energiewende. Mittelfristig sollen jedes
Jahr 100.000 neue Haushalte ans Fernwärmenetz. Und die Fernwärme
soll grüner werden, bis 2045 sogar komplett klimaneutral. Bisher werden
dafür vor allem Erdgas, Kohle und Öl verfeuert.

Ob sich die Ziele der Ampelkoalition erreichen lassen, ist fraglich. Denn
schon beim Start stottert der Fernwärmemotor. So steht die
Wärmeplanung der Kommunen bereits unter Zeitdruck. Bis 30. Juni 2026
müssen Gemeinden ab 100.000 Einwohner einen Wärmeplan vorlegen.
Kleinere Kommunen haben noch bis 30 Juni 2028 Zeit. Viele
Städte halten die bisherigen Fahrpläne für zu ambitioniert. Sie
bräuchten längere Fristen für ihre Wärmepläne.

Hohe Nachzahlungen schocken Fernwärmekunden

Mit den Heizkostenabrechnungen fürs Jahr 2023 kündigt sich bereits
weiterer Ärger an. Denn für einige Fernwärmekunden wird es in diesem
Jahr richtig teuer. Sie müssen hohe Nachzahlungen auf ihre Heizkosten
leisten. Allein mit hohen Energiepreisen lässt sich das nicht erklären,
denn zuletzt waren Brennstoffe wie Erdgas, Kohle oder Heizöl wieder
deutlich günstiger.

Oft liegt der Preisschub bei der Fernwärme an den schwer zu
durchschauenden Rechenformeln, mit denen die Anbieter arbeiten. Dies
legt eine Studie des Finanzmathematikers Werner Siepe aus
Erkrath nahe, der viele Preisformeln von Fernwärmeanbietern als
ungeeignet kritisiert. Sie hätten in den Jahren 2021 und 2022 zu
Fernwärmekonditionen geführt, die weit über den damaligen Öl- und
Gaspreisen gelegen hätten.

Die einzelnen Fernwärmenetze sind zwar technisch individuell
gestrickt und damit mal mehr, mal weniger effizient. Und die
verwendeten Wärmequellen sind von fossilen Brennstoffen, über
Geothermie bis hin zu Industrieabwärme unterschiedlich
nachhaltig. Allerdings schwanken die Preise so beträchtlich, dass sich
das kaum allein durch diese Unterschiede erklären lässt.

Bei Fernwärmeanbietern, die primär auf den Brennstoff Erdgas setzen,
kam die Siepe-Studie zu folgendem Ergebnis: Beim teuersten Anbieter
betrug der verbrauchsabhängige Arbeitspreis im vergangenen Jahr 25,87
Cent je Kilowattstunde, beim günstigsten dagegen nur 4,95 Cent. Beide
Angebote unterscheiden sich grob gerechnet um den Faktor fünf. Der
Durchschnitt lag bei 13,69 Cent je Kilowattstunde.

Gerichte und Behörden prüfen Preispolitik

Seit Jahren wird vor Gerichten um die Preisformeln der
Fernwärmeanbieter und die darauf basierenden Kalkulationen gestritten.
Viele Fernwärmekunden fühlen sich benachteiligt und klagen. Einige
Energieversorger mussten ihre Preisformeln nach Gerichtsurteilen zu
Gunsten ihrer Kunden anpassen. Kürzlich hat der Verbraucherzentrale
Bundesverband Musterklagen gegen zwei Fernwärmeversorger
eingereicht. Es geht dabei um Preisanstiege um mehrere Hundert
Prozent.

Auch das Bundeskartellamt reagiert. Im November startete die
Behörde eine Untersuchung der Preisanpassungsklauseln von sechs
Stadtwerken und Fernwärmeversorgern. Das Amt prüft, ob die Klauseln
gegen rechtliche Vorgaben verstoßen und dadurch zu höheren Preisen
für Verbraucher geführt haben. Es sei beispielsweise zu hinterfragen,
warum ein Fernwärmeanbieter seinen Preis an den von Erdgas binde,
obwohl er stattdessen einen günstigeren Energieträger verwendet habe,
so das Amt.

Quelle: Wirtschaftwoche vom 2.2.2024

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