Ampel und VZBV alarmiert
Kartellwächter sollen Fernwärme-Preise prüfen
Verbraucherschützer beklagen horrende Preissteigerungen bei der Fernwärme und fordern Aufklärung.
Auch Ampel-Politiker verlangen nun eine Prüfung durch das Bundeskartellamt.
Ein Fernwärmemarkt-Experte ist hingegen wenig überrascht von den Preisen.
Angesichts teils drastisch gestiegener Fernwärmepreise verlangen Politiker der drei Regierungsparteien ein Einschreiten des Bundeskartellamts. Die Behörde müsse auch bei der Fernwärme darauf achten, dass der Wettbewerb gewahrt bleibe. “Aus diesem Grund sollte eine neue Sektoruntersuchung durchgeführt werden”, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Reinhard Houben, dem “Handelsblatt”. Die Anbieter sollten ihren guten Ruf nicht durch “hohe und intransparente Preise” aufs Spiel setzen.
Auch die SPD-Energiepolitikerin Nina Scheer sieht Handlungsbedarf. “Wenn Anhaltspunkte für außergesetzliche, fehlende Preistransparenz gegeben sind, muss dem nachgegangen werden”, sagte Scheer der Wirtschaftszeitung. Der Grünen-Wirtschaftspolitiker Dieter Janecek äußerte die Erwartung, dass die Versorger auf die sinkenden Großmarktpreise der vergangenen Wochen reagieren und diese Kostensenkungen “zeitnah” an die Haushalte weitergeben. “Falls dies nicht geschieht, sollten die Kartellbehörden tätig werden.”
Die Koalitionspolitiker reagieren damit auf Hinweise des Verbrauchzentrale-Bundesverbands. Dessen Chefin Ramona Pop attestierte den Fernwärmeversorgern erhebliche Mängel bei der Preisgestaltung. “Die Verbraucherzentralen berichten von teils horrenden Nachzahlungen für 2021, manche Fernwärmekunden zahlen das Doppelte, dementsprechend auch erhöhte Abschläge in 2022.” Untersuchungen ihres Verbands hätten zudem “unglaubliche” Preisunterschiede gezeigt. Mieter könnten sich gegen übermäßige Preiserhöhungen nicht zur Wehr setzen und ihnen auch nicht ausweichen, sagte Pop.
Große Unterschiede beim Erzeugungsmix
“Wenn ein Fernwärmeversorger sehr hohe Preise verlangt, ist das per se aber kein Hinweis auf ein Ausnutzen seiner Monopolstellung”, gibt Sebastian Gulbis, Partner beim Energieberatungsunternehmen Enervis, gegenüber ntv.de zu bedenken. “Fernwärmeversorger verfügen über einen sehr unterschiedlichen Erzeugungsmix im deutschlandweiten Vergleich. Eine Erzeugung mit Erdgas, mit Kohle oder auch mit Geothermie führt im aktuellen Marktumfeld naturgemäß zu Verwerfungen zwischen unterschiedlichen Fernwärmeversorgern.” Außerdem nutzten die Versorger unterschiedliche Formeln zur Berechnung der Fernwärmepreise. Die Marktsituation der vergangenen 24 Monate und die folglich auseinanderklaffenden Preise waren Gulbis zufolge sogar zu erwarten.
Auch in den Augen des Fernwärmemarkt-Experten sollte jedoch geprüft werden, inwiefern die Fernwärmeversorger ihren Transparenzpflichten nachkommen. Der bundesweite Fernwärmemarkt sei “weitgehend intransparent und abgeschottet”. Eine langwierige Sektorprüfung der Kartellbehörden helfe allerdings nicht in der aktuellen Situation. Regelmäßige Prüfungen könnten aber eine “disziplinierende Wirkung entfalten”.
Nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft wurde im vergangenen Jahr etwa jede siebte Wohnung mit Fernwärme beheizt. Auch für Fernwärmekunden ist eine Preisbremse geplant, der garantierte Bruttopreis soll bei 9,5 Cent liegen.
Quelle: ntv.de, chl/dpa